Pictogramm Rollstuhl

Guten Tag, Herr Kiwitt,

es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen nochmals meine Begeisterung bezüglich des Prozessergebnisses und Ihrer zum Erfolg führenden Berufungsbegründung auf diesem Weg zukommen zulassen.

Vielen Dank, ich staune noch immer voller Freude.

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Auswahl an Prozesserfolgen


Geburtsschadenrecht: Keine Schnittentbindung bei extremer kindlicher Hypertrophie ist grober Behandlungsfehler

Oberlandesgericht Rostock, 5 U 91/17 (Vorinstanz: Landgericht Stralsund, 6 O 30/13, Urteil vom 08.09.2017)

 Die Klägerin ist die Tochter einer 34-jährigen Erstgebärenden und kam mit einem Gewicht von 5750 g (Apgar 02-5, pH 7,28) zur Welt. Die Beklagte ist eine Entbindungsklinik. Im Vorfeld der Entbindung wurde keine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Die unterlassene ärztliche Untersuchung und die fehlende Erhebung aktueller Ultraschallmessungen hatten zur Folge, dass eine extreme kindliche Hypertrophie (Größenzunahme) nicht erkannt worden ist. Bei der Klägerin hätte eine vaginale Geburt nicht durchgeführt werden dürfen, sondern es hätte ein Schnittentbindung vorgenommen werden müssen.

Die Folge ist, dass das Kind unter gravierenden Behinderungen, allen voran eine Schulterdyskopie, Epilepsie und schweren Hirnschäden leidet. Bereits ein vorgerichtlich eingeholtes 41seitiges Privatgutachten konstatierte grobe Behandlungsfehler. Trotzdem lehnte die Klinik eine Haftung ab, so dass eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche (Gegenstandswert: 828.957,40 Euro) notwendig war. Das Landgericht Stralsund bestätigte nach vierjähriger Verfahrensdauer die grobe Behandlungsfehlerhaftigkeit und verurteilte die Klinik entsprechend auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Gegen dieses Urteil ging die Beklagte in Berufung. 

 

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Gerade in Geburtsschadenfällen ist oft ein langer Atem notwendig. Selbst bei eine derart eindeutigen groben Behandlungsfehler lehnte das Klinikum bis zuletzt eine Haftung ab. Erst bei der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht signalisierte die Beklagte plötzlich, die Angelegenheit durch eine Einmalzahlung zur Gesamtabfindung schnell bereinigen zu wollen. Haftpflichtversicherer spielen gerade in Großschadensfällen oft auf Zeit. Von einer Gesamtabfindung ist jedoch in den meisten Großschadensfällen abzuraten. Gerade bei einem Kind, das noch sein ganzes Leben und Berufsleben (das Kind wird aufgrund der schweren Behinderung nie einen Beruf ausüben können) vor sich, stehen beträchtliche Schäden im Raum, die in die mehrere Millionen Euro gehen. Um so wichtiger ist es, sich qualifizierten anwaltlichen Rates zu bedienen. Die Ausdauer und ein engagierter auf das Gebiet der Arzthaftung spezialisierter Rechtsanwalt zahlen sich in solchen Fällen aus.  

 

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Eine Auswahl weiterer Prozesserfolge der Kanzlei Medi:res:

Tod bei Geburt nach versehentlicher Gabe von 20 IE Oxytocin auf 500 ml NaCl

außergerichtliche Einigung

Nach einer komplikationslosen Schwangerschaft begab sich die werdende Mutter in die Behandlung einer Berliner Klinik zur Geburt ihrer Tochter. Der fetale Zustand des Neugeborenen war unauffällig. In den frühen Abendstunden sollte sodann die Sectio stattfinden. Dazu wurde die Infusionlösung Oxytocin verabreicht, um die Wehentätigkeiten zu fördern. Grob behandlungsfehlerhaft wurde die hochdosierte Oxytocininfusion nicht, wie sonst üblich, bereit gestellt, sondern vielmehr der noch schwangeren Patientin rasch einlaufend gegeben.

Offenbar auch aufgrund der Unerfahrenheit einer Mitarbeiterin kam es zu dieser unbeabsichtigt hohen Gabe der Infusionslösung mit 20 IE Oxytocin auf 500 ml NaCl. Damit wurde die 267-fache Dosierung wie bei Beginn des Wehentropfes mit 15 ml/h und die 67-fache Dosierung wie bei maximaler Steigerung des Wehentropfes mit 60 ml/h verabreicht.

Die Gabe des Vielfachen der noch verträglichen Dosierung hat sodann zu einer fetal gefährdenden Dauerkontraktion geführt, die den Tod des Neugeborenen zur Folge hatte.

Es wurde von hier aus ein Sachverständigengutachten bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen eingeholt. Mit Gutachten vom 20.02.2021 stellte der Gutachter fest:

"Kontrafaktisch argumentiert – was wäre gewesen, wenn die Infusionslösung mit 20 IE Oxytocin auf 500 ml NaCl nicht gegeben worden wäre – dann, so lautet die Antwort nach Auffassung des Gutachters, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach ein lebensfrisches und vitales Neugeborenes auf die Welt gekommen. Und deshalb muss die versehentliche Gabe der hochdosierten Oxytoxin-Infusionslösung als kausal für den Tod des Neugeborenen gewertet werden.“

Das Krankenhaus entschuldigte sich aufrichtig für den Schaden. Auch die hinter dem Krankenhaus stehende Haftpflichtversicherung drückte ihr Bedauern für die Geschehnisse aus. Die Parteien einigten sich sodann außergerichtlich auf Zahlung eines Schadenersatzes von 50.000,00 EUR. Die Trauer der Eltern um ihre verstorbene Tochter wird damit nicht zusätzlich durch einen offenen Rechtsstreit verstärkt.

Anmerkung von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Es gibt Haftpflichtversicherungen, die im Falle selbst offensichtlicher grober Behandlungsfehler zunächst mauern und es auf ein Klageverfahren ankommen lassen. Es gibt aber auch Haftpflichtversicherer, denen bewusst ist, dass ein jahrelanger Rechtsprozess für sie nur noch teuerer wird und dem Anspruch des Krankenhauses, für begangenes Leid regulieren zu wollen, eine Verpflichtung ist. Ein solcher Fall liegt hier vor. Es ist zu begrüßen, dass die Angelegenheit zügig außergerichtlich geklärt werden konnte. Nachdem der Haftpflichtversicherer zunächst nur einen Betrag von 15.000,00 EUR als Gesamtabfindung angeboten hatte, konnte der Betrag auf 50.000,00 EUR zzgl. Rechtsanwaltskosten sodann von hier aus verhandelt werden. Dies liegt im Üblichen für den Tod eines Neugeborenen in Deutschland.

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Nicht diagnostiziertes Melanom - 100.000,00 EUR Schmerzensgeld

außergerichtlich

 Die Patientin begab sich am 01.02.2018 bei einem Dermatologen zur Hautkrebsvorsorge in die ärztliche Behandlung. Sie hatte einen dunklen Flecken auf ihrer Haut festgestellt. Diese Hautveränderung an ihrem Rücken, der sich durch einen dunklen Fleck und Juckreiz bemerkbar machte, versetzte sie in Sorge.

Der Dermatologe schaute sich den Rücken an und diagnostizierte behandlungsfehlerhaft: „Naevi i.O.“

Weitere Untersuchungen nahm er nicht vor. Im weiteren Verlauf juckte der Fleck weiterhin sehr und wuchs an. Deshalb stellte sich die Patientin m 29.10.2018 in der Praxis eines anderen Hautarztes erneut vor. Dieser diagnostizierte sofort ein malignes Melanom am Rücken und überwies die Patientin zur Vorstellung in ein Universitätsklinikum und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie.

Dort bestätigten die Ärzte bei einer Untersuchung ebenfalls die Diagnose eines malignen Melanoms und nahmen eine Exzision dieser Hautstelle am Rücken am Folgetag vor.

Die Exzision ergab in der histologischen Untersuchung ein invasives malignes Melanom der Haut mit fokalen spitzoiden Merkmalen, kleinherdige geringgradige Ulzeration, Clark-Level IV, eine maximale Tumordichte (Breslow) von 1,96 mm, Mitoserate 19/mm.

Als Tumorklassifikation wurde pt2b AICC Stadium IIA festgestellt.

In Anbetracht dieses Befundes wurde sodann leitliniengerecht eine Nachexzision mit 2 cm Sicherheitsabstand und eine Wächter- Lymphknotenentfernung im Bereich beider Axillen unter stationären Bedingungen in der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie  durchgeführt. Dabei wurden im Bereich der linken Axilla 3 Lymphknoten als unauffällig beurteilt, iim Bereich der rechten Axilla fand sich in einem von zwei entfernten Lymphknoten eine isolierte Tumorzelle.

Aufgrund der starken Nebenwirkungen der Immuntherapie musste diese bereits nach der ersten Anwendung eingestellt werden. Erst später konnte mit einer neuen Krebstherapie, einer sog. zielgerichteten Therapie, erneut gestartet werden. Diese ist mit der täglichen Einnahme von starken Medikamenten verbunden und erstreckt sich über einen Zeitraum von einem gesamten JJahr (Medikamente: Mekinist und Tafinlar).

In Anbetracht dieses Befundes wurde die Tumorklassifikation geändert in pt2b N1a M0, entsprechenden Stadium IIIA (AICC).

Hinweise für eine Fernmetastasierung ergaben sich zum Glück nicht.

Die Patientin musste sich in der Folge einer adjuvanten Immuntherapie unterziehen, die mit dem Präparat Pembrolizumab durchgeführt wurde. Dabei werden 200 mg als Flat-Dosis alle drei Wochen für ein Jahr intravenös appliziert.

Ferner wurde empfohlen, eine Mutationsanalyse aus dem Primärtumor durchzuführen, eine totale Lymphnotenausräumung wird nur bei Nachweis einer einzelnen Tumorzelle empfohlen.

Insgesamt wurde die Diagnose eines weit fortgeschrittenen, Hochrisikomelanoms aufgestellt, das bei der Hautkrebsvorsorgeuntersuchung am 01.02.2018 nicht diagnostiziert worden war.

Sinn und Zweck einer Hautkrebsvorsorgeuntersuchung ist es, möglichst frühzeitig einen Hautkrebs zu diagnostizieren.

Von hier aus wurde sodann ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Gutachter, ein Facharzt für Dermatologie, bestätigt in seinem Gutachten einen ärztlichen Behandlungsfehlers. Er schreibt:

"Zu einer Hautkrebsscreening- Untersuchung gehört eine sorgfältige Untersuchung der gesamten Haut und angrenzenden Schleimhäute. Die Untersuchung erfolgt mit dem bloßen Auge bei gutem Licht. Eine routinemäßige Untersuchung aller Muttermale mit dem Auflichtmikroskop ist nicht Leistungsinhalt der Hautkrebsscreening-Untersuchung. Allerdings ist bei verdächtigen Befunden in diesem Bereich eine Auflichtmikroskopie zur weiteren Abklärung unbedingt zu fordern.

Darüber hinaus gehört dazu eine Anamneseerhebung hinsichtlich wesentlicher Vorerkrankungen oder Risikofaktoren für Hautkrebs. Schließlich gehört dazu eine Aufklärung hinsichtlich Vorsorgemaßnahmen bezüglich Hautkrebs und Erläuterung, wie man durch Selbstuntersuchung möglichst frühzeitig die Entstehung eines Hautkrebses erkennen kann (z.B. ABCD-Regel).“

Dem Dermatologen ist deshalb eine unterlassene Befunderhebung vorzuwerfen. Der Sachverständige dazu:

Anhand d(ies)er Befunde ist davon auszugehen, dass bereits seit einiger Zeit ein malignes Melanom an dieser Stelle bestanden haben muss.“

Ferner stellt er fest:

„In Anbetracht der histologischen Differenzierung und auch dem klinischen Bild der Beschreibung vom 29.10.2018 ist davon auszugehen, dass sich das Melanom auf dem Boden eines Spitz-Naevus entwickelt hat. Dabei handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Naevuszellnaevus, sondern um einen besonderen Typus von Naevuszellnaevus."

Aufgrund des nicht diagnostizierten Melanoms, das sodann entfernt werden konnte, musste sich die Patientin einer Chemotherapie unterziehen. Sie hat die Funktionsfähigkeit ihrer Schilddrüse verloren.

Außergerichtlich einigten sich die Patientin mit dem hinter dem Dermatologen stehenden Haftpflichtversicherer auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 100.000,00 EUR.

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Verbliebene Peanklemme in der Bauchdecke nach Bauch-OP/Aufklärungspflichtverletzung

Landgericht Hildesheim, 4 O 113/12, Urteil vom 14.09.2015 / OLG Celle, 1 U 66/15:
 
Die 49-jährige Patientin unterzog sich in dem beklagten Krankenhaus u.a. einer abdominalen Uterusextirpation. Nach der Operation verblieb eine 16 cm lange Planklemme in der Bauchdecke, welche sodann durch ein anderes Krankenhaus operativ nach einem knappen Jahr erst entfernt werden konnte. Darüber hinaus stellte der gerichtliche Sachverständige grobe Fehler bei der Operation auch im weiteren fest. Er stellte erhebliche Mängel bei der Operationstechnik fest. Darüber hinaus werden Dokumentationspflichtverletzungen attestiert. Die Operateure hätten in dem Operationsbericht u.a. die Operationstechnik sowie die Schnittführung um den Bauchnabel und das Einnähen eines neuen Nabels erwähnen müssen, genauso wie das Einlegen von Wunddrainagen sowie die Verwendung von Hautklammern. Die Angabe von "Narbenkorrekturen" anstelle der genauen Operationstechnik sei keineswegs ausreichend gewesen. Die Beklagte konnte ferner keine Aufklärung über die Bauchdeckenplastik-Operation vorgenommen bzw. diese prozessual nicht beweisen können. Bei der Operation handelte es sich um eine langwierige und komplikationsträchtige Operation, bei der angesichts der erforderlichen Mobilisation der Haut große Wundflächen entstünden, stellte der Sachverständige fest. Es bestand nur eine relative OP-Indikation. Damit liegt nach Auffassung des Gerichts mangels Aufklärung eine rechtswidrige Operation vor, die bereits auch schon ungeachtet der verbliebenen Peanklemme im Bauch und weiterer Fehler bei der Operation schadenersatzauslösend ist. Die Beklagte ging gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim in Berufung. Im Berufungsverfahren schlug der 1. Zivilsenat des Oberlandesgericht Celle eine Gesamtabfindung vor, nach der der Klägerin insgesamt über 33.000 Euro gezahlt werden sollen, so dass es zu einem Vergleichsschluss zwischen den Parteien kam. 
 
Anmerkung von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt: 
 
Patienten brauchen mitunter selbst bei klaren Haftungsfällen von Krankenhäusern einen langen Atem. Die gegnerische Haftpflichtversicherung hatte aufgrund des Verbleibens der Peanklemme vorprozessual nur 5.000 Euro angewiesen. Verzögert wurde das Verfahren ferner durch eine Erkrankung einer Richterin, wodurch die Urteilsabfassung sich über ein halbes Jahr zusätzlich in die Länge zog. Schlussendlich hat sich die Geduld der Klägerin sich jedoch ausgezahlt. Der Patientin wurde ein Schmerzensgeld von 22.000 Euro zugesprochen, zuzüglich Ersatz sämtlicher materieller Schäden der Vergangenheit und Zukunft. Im Rahmen der Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht Celle konnte ein Gesamtabfindungsvergleich in Höhe von 33.000 Euro erreicht werden.

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Fehlende Aufklärung über offene Schulteroperation (Impingement-Syndrom)– rechtswidrige Operation / Schadenszurechnungszusammenhang bei ungeklärter Passivlegitimation zwischen zwei Kliniken

OLG Celle, 11 U 219/15 (Vorinstanz: Landgericht Lüneburg, 2 O 201/14) – 40.000 Euro

Nachdem die Klägerin nach konservativer Behandlung von Schultereckgelenk-Problemen erfolglos hat konservativ behandeln lassen, suchte sie eine Klinik und wurde dort operativ behandelt. Gegenüber dieser Klinik war zu konstatieren, dass nach der Operation eine zu große Lücke im Schultereckgelenk verblieben ist, was bereits Gegenstand eines arzthaftungsrechtlichen Vorprozesses am Landgericht Oldenburg gewesen war, den Rechtsanwalt Tobias Kiwitt ebenfalls für die Klägerin anwaltlich vertrat. Der gerichtliche Sachverständige, den das Landgericht Oldenburg bestellte, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass dem nachbehandelnden Krankenhaus ein Behandlungsfehlervorwurf zu machen sei und nicht dem dort in Anspruch genommenen Krankenhauses.

Denn da die Beschwerden sich auch nach der Operation nicht gebessert hatten, begab sich die Klägerin in die Behandlung eines anderen Krankenhauses, der hiesigen Beklagten. Der vom Landgericht Lüneburg bestellte gerichtliche Sachverständige wiederum widersprach den Ausführungen des Vorgutachters aus dem Vorprozess und stellte sich auf dem Standpunkt, dass die erste Operation sehr wohl fehlerhaft gewesen war. So hätte bei der Operation niemals eine über 15 cm große Lücke geschaffen werden dürfen. Die zweite Operation hätte vermieden werden können.

Die gleichzeitig von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge über die Tatsache, dass man ihr bei der zweiten Operation eine laparoskopische Operation versprochen hatte, sie jedoch nach der OP mit einer großen Narbe an der Schulter aufgewacht ist, wurde vom Landgericht Lüneburg in den Entscheidungsgründen nicht erinnert. Auch die Klage vor dem Landgericht Lüneburg wurde abgewiesen.

Dagegen ging die Klägerin in Berufung und erklärte dem Vorgutachter aus dem Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg wegen grob fahrlässiger Falschbegutachtung prozessual den Streit. Das Oberlandesgericht Celle stellte fest, dass die zweite Operation rechtswidrig gewesen war. Es fehlte an einer Aufklärung über eine offene Operation.

Welchem Krankenhaus darüberhinaus die zu große Gelenklücke vorzuwerfen ist, könne dahinstehen. Der aufgetretene Schaden sei jedenfalls der jetzigen Beklagten zuzurechnen. Denn die zweitoperierende Klinik hätte entweder bei einer bereits bestandenen zu großen Lücke auf keinen Fall eine zweite Operation vornehmen dürfen, oder aber sie hätte die Lücke nicht derart vergrößern dürfen.

Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Vergleichssumme von 40.000 Euro.

 

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Der Verlauf eines Arzthaftungsprozesses hängt auch entscheidend von der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen haben. Deshalb ist es nicht selten im Arzthaftungsrecht wichtig, sich der Hilfe von Privatsachverständigen zu bedienen und notfalls dem Vorgutachter bei einer fehlerhaften Begutachtung den Streit zu verkünden, wie es vorliegend geschehen ist. Eine auf das Medizinrecht spezialisierte Kanzlei führt Sie sicher durch die prozessualen Hürden eines solchen mitunter vielschichtigen arzthaftungsrechtlichen Sachverhalts.

 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Geburtsschadenrecht: Keine CTG bei Frühgeburt - Indikation zur Sectio

Oberlandesgericht Naumburg, 1 U 83/16 (Vorinstanz: Landgericht Magdeburg, 9 O 932/12)

Bei der Klägerin handelt es sich um die Tochter einer 16-jährig Erstgebärenden. Aufgrund vorzeitigen Blasensprungs suchte die Mutter die Klinik in der 35. Schwangerschaftswoche auf. Es kam nach 37 Stunden zu einer Spontangeburt. Als fehlerhaft gerügt wurde das Geburtsmanagement zwischen der Aufnahme der Mutter und dem Geburtszeitpunkt. So hätten frühzeitig CTGs vorgenommen werden müssen, um noch früher eine Indikation zur Sectio zu erteilen.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, verfolgte die Klägerin ihre Ansprüche vor dem Oberlandesgericht fort. Dort verglichen sich die Parteien schlussendlich auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 250.000 Euro. Für die beiderseitigen Anwaltskosten kommt die Beklagte auf.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Geburtsschadenfälle sind sehr teuere Prozesse. Deshalb empfiehlt es sich dringend, rechtsschutzversichert zu sein. In dem vorliegenden Verfahren wurde schlussendlich, da keine Rechtsschutzversicherung vorlag und über Prozesskostenhilfe abgerechnet werden musste, ein Vergleich abgeschlossen. In diesen Verfahren ist die Hinzuziehung eines Ergänzungspflegers notwendig, zu dem Rechtsanwalt Kiwitt beigeordnet wurde.

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Erstattungsanspruch von Heilbehandlungskosten gegen eine Krankenversicherung nach ärztlichem Behandlungsfehler

Landessozialgericht Schleswig, L 5 KR 41/13 – Vergleich über 1/3 der Klagesumme

Ein norddeutsches Krankenhaus begehrte Heilbehandlungskosten einer Patientin von einer von hier vertretenen Krankenversicherung. Dabei blieb jedoch streitig, welche Leistungen überhaupt erbracht worden sind. Andere Leistungen waren nach der Meinung des Gerichts zudem bereits verjährt.

Schlussendlich einigten sich die Parteien auf einen Vergleich, wonach die Krankenversicherung nur 1/3 der eingeklagten Summe  zu zahlen braucht.

 

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Stellt sich ein ärztlicher Behandlungsfehler heraus, haben auch Krankenkassen ein Interesse, von dem Ausgang des Arzthaftungsverfahrens zwischen Patient und Arzt zu erfahren. Denn auch die Krankenkasse prüft sodann Erstattungsansprüche gegen den Arzt. Deshalb ist jedem Geschädigten eines ärztlichen Behandlungsfehlers zu empfehlen, auch der eigenen Krankenversicherung den Schadensfall zu melden. Rechtsanwalt Tobias Kiwitt vertritt auch Krankenversicherung bei der Durchsetzung der Heilbehandlungsansprüche gegenüber dem Schadensverursacher.

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Rezidivierende Unterbauchschmerzen nach Darmoperation mit anschließender Nierenentfernung – Unterlassene Befunderhebung 

Landgericht Kiel, 8 O 77/14, Vergleich vom 15.01.2016

Nach einer Darmoperation klagte die Klägerin über starke Unterbauchschmerzen, die immer weiter zunahmen. Es zeigten sich atypische Schmerzen, denen durch die Klinik jedoch nicht in der gebotenen Weise nachgegangen worden ist. So hätte nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Sonographie wiederholt werden müssen. Auch hätten die deutlich erhöhten Kreatininwerte früher festgestellt werden können.

Grob behandlungsfehlerhaft wurde auch nicht versucht, den Harnaufstau zu beseitigen, in dem eine Schienung vorgenommen worden wäre.

Dadurch wäre die Schädigung der Niere und eine spätere Nierenentfernung vermieden worden.

Der Klägerin wurden schlussendlich knapp 50.000 Euro als Gesamtabfindung nach geschlossenem Vergleich vor dem Landgericht Kiel gezahlt.

 

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Es gilt immer abzuwägen, inwieweit eine Gesamtabfindung oder aber die Feststellung von Zukunftsschäden in einem Feststellungsurteil zielführend sind. Im Zweifelsfall berät Sie dazu gerne die Kanzlei Medi:res – Kanzlei für Medizinrecht, Medienrecht und Mediation.

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Unterlassene Befunderhebung bei einer ungewöhnlichen Schädigung des Nervus ischiadicus nach einer subkutanen Mastektomie

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16.04.2016, 1 U 240/13; Vorinstanz: Landgericht Hamburg, Urteil vom 15.11.2013, 303 O 339/10

Die Klägerin nahm bei der Beklagten, einer Hamburger Klinik, aufgrund einer Mikrokalbildung in der rechten Brust eine brusterhaltende Resektion vor. Es folgte eine subkutane Mastektomie mit retromammillärem Schnellschnitt und Rekonstruktion durch Einlage einer Silikonprothese. Nach dem Aufwachen aus der Operationsnarkose litt die Klägerin an Sensibilitätsstörungen von der Kniekehle bis zum Fuß rechts. Die Ursache der Nerv-Beeinträchtigung wurde jedoch nicht durch eine MRT-Untersuchung genauer abgeklärt. Das Konsil hatte zu der Verdachtsdiagnose einer Läsion des Nervus tibialis geführt. Hierbei handelt es sich um eine für die Art der hiesigen Operation ungewöhnliche Schädigung, bei der -anders als etwa im häufiger auftretenden Fall einer Peroneus-Schädigung - with mit einer spontanen Rückbildung gerechnet werden durfte. Aufgrund dieser unterlassenen Befunderhebung kam es zu einer Verfestigung der Lähmung. Die Klägerin leidet dauerhaft unter Lähmungen und Gefühlsstörungen. Ein gerichtlich bestellter Sachverständige stellte klar, dass die ungewöhnliche Verdachtsdiagnose hätte abgeklärt werden müssen. Wenn das gebotene MRT erstellt worden wäre, dann wäre darauf mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Einblutung im Bereich des Nervus ischiadicus zu erkennen gewesen. Denn Art und Ausmaß der Beschwerden der Klägerin sprechen nach Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit dafür, dass es zu einer Läsion des Nervus ischiadicus - mit deutlicher distaler Betonung der Tibialisfasern - gekommen ist.

Das Landgericht Hamburg verurteilte die Beklagte auf Zahlung von 40.000 Euro Schmerzensgeld und Feststellung der Erstattungspflichtigkeit sämtlicher weiterer immaterieller und materieller Schäden der Vergangenheit und Zukunft. Gegen dieses Urteil ging die Beklagte in Berufung. Das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigte die Behandlungsfehlerhaftigkeit und schlug den Parteien schlussendlich einen Vergleich vor, auf den der Klägerin von der Beklagten sodann knapp 110.000 Euro überwiesen wurde.

Anmerkung von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Unterlassene Befunderhebungen sind eine der häufigsten Behandlungsfehler, die gerade in Kliniken zu beklagen sind. Sie haben in der Regel Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr für die Patientenseite zur Folge. Vorliegend konnte sich das Klinikum aufgrund der unterlassene Befunderhebung nicht mit möglichen alternativen Kausalzusammenhängen mehr verteidigen, da die Beweislastumkehr zur Folge hat, dass das Klinikum sich vollständig entlasten müsste. Das Klinikum müsste also beweisen, dass die Lähmungen auch bei lege artis Behandlung vorliegen würden. Dieser Beweis kann die Behandlerseite jedoch in der Regel nicht führen, weshalb es zu der Verurteilung kam. Patienten kann deshalb geraten werden, sich stets Hilfe durch im Medizinrecht spezialisierten Rechtsanwälten zu bedienen.

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Notwendigkeit von Kontrollröntgenaufnahmen nach Schraubenosteosynthese

Landgericht Bremen, 1 O 1779/11, Vergleich vom 23.05.2017

Der Kläger erlitt einen Verkehrsunfall und wurde mit einer traumatischen subracachnoidalen Blutung B, Symphysensprengung, Faktur Sakrum und Rippenserienfraktur, notfallmäßig bei der Beklagten eingeliefert. Er war polytraumatisiert und musste notoperiert werden. Diese unterließ es, obwohl eine Indikation für ein antiphlogistische (entzündungshemmende) Medikation bestand, eine solche vorzunehmen. Ferner sind postoperative Röntgenuntersuchungen unterblieben, die bestätigt hätten, dass es zu Lockerungen von eingesetzten Schrauben gekommen ist. Der gerichtliche Sachverständige führte aus, dass nach der Osteosynthese engmaschig hätte kontrolliert werden müssen. Auch wäre es selbst dann, wenn sich klinisch kein Bild einer Lockerung ergeben hätte, der medizinische Standard, dass nach 12 Wochen geröntgt wird. In Abhängigkeit von dem Ausmaß der Lockerung hätte dann eine Schonung verordnet werden müssen. Die Parteien verglichen sich schlussendlich auf Zahlung von 5.000 Euro.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Streitig war in diesem Verfahren, wann es zu der Lockerung von Schrauben gekommen ist. Letztlich konnte diese Frage aber offen bleiben, da selbst dann, wenn sich kein klinisches Bild einer Lockerung sich gezeigt hat, eine Kontrollröntgenuntersuchung nach 12 Wochen hätte erfolgen müssen. Diese hätte sodann ergeben, dass eine Lockerung der Schrauben vorliegt. Es greifen die Grundsätze der unterlassenen Befunderhebung.

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Fehlerhafte Mikrodermabrasion

Landgericht Osnabrück, 3 O 1621/13, rechtskräftiger Vergleich

Vergleich:
Die Klägerin begab sich bei dem Beklagten, einem Hautarzt, in ärztliche Behandlung, um Milien unter den Augen in konventioneller Methode entfernen zu lassen. Bei diesem Anlass bot der Beklagte der Klägerin an, die noch verbliebenen Milien auf der Stirn durch Mikrodermabrasion zu entfernen. Das Hautbild werde dadurch noch schöner. Nachdem die Betäubung abgeklungen war, kam es zu unangenehmen brennenden Schmerzen auf der Stirn der Klägerin. Es verblieben dauerhafte dunkle Flecken. Ein dermatologisches Sachverständigengutachten ergab, dass die Mikrodermabrasion nicht ordnungsgemäß vorgenommen worden war. Das Landgericht schlug daraufhin einen Vergleich in Höhe von 1.800 Euro Schmerzensgeld vor. Diesen nahmen die Parteien an.

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Aufklärungspflichtverletzung über Entnahme von Spongiosaknochen aus Beckenkamm

Landgericht Hamburg, 303 O 327/14, Vergleich vom 15.02.2017

Der Kläger wurde in einer Hamburger Privatklinik am rechten Fuß operiert. Bei Entnehmen des Beckenkammspans ist es zu einer Beschädigung und Zertrennung des Neves cutaneus femoris laterales gekommen, was mit Taubheitsgefühlen einher ging sowie starken Schmerzen. Die Durchtrennung des Nerven hat zur Folge, dass der Klägerin in seiner Nachtruhe erheblich gehört ist und kein Sport mehr betreiben kann. Er ist auf das Tragen eines orthopädischen Schuhwerkes angewiesen.

Bei der Schädigung handelt es sich um eine Komplikation, über die der Klägerin jedoch nicht ausreichend aufgeklärt worden war. So finden sich keine Hinweise auf eine etwaig geplante Entnahme von Spongiosaknochen aus dem vorderen Beckenkamm und somit auch kein Hinweis auf eine mögliche Nervenschädigung im Rahmen dieser spanten Beckenkammerentnahme. So ist nach Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zwar von keinem Behandlungsfehler auszugehen, da die Operation indiziert gewesen sei und es sich um eine typische Komplikation handelt.

Die Parteien einigten sich schlussendlich auf Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld zzgl. 1.500 Euro Zinsen und vorgerichtlicher Kostenerstattung.

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Nichtbefundung eines EKG führte zu Torsade de Pointen Tachykardie

Oberlandesgericht Bremen, 5 U 12/17, Beschluss vom 08.01.2019; Vorinstanz: Landgericht Bremen 3 O 270/14

Der Kläger erlitt, nachdem er mit dem Verdacht eines Schlaganfalls in die Klinik eingeliefert worden war, in den Morgenstunden während des klinischen Aufenthalts eine Torsade de Pointen Tachykardie.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ersieht das Gericht einen Befunderhebungsfehler durch Nichtbefundung eines EKGs. Es hätte ein EKG geschrieben werden müssen. Weil dies unterblieb, ist eine QT-Zeit nicht bemerkt worden. Nach Angaben des gerichtlichen Sachverständigen wäre es üblich und zu erwarten gewesen, zu dokumentieren, welche Überlegungen im Hinblick auf die verlängerte QT-Zeit angestellt wurden.

Die Parteien einigten sich schlussendlich auf Zahlung von 5.000 Euro. Das Gericht schlug einen derartigen Vergleich vor, da der Schaden aufgrund der Grunderkrankung des Klägers zu nur unwesentlichen weiteren Beschwerden geführt hat

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Lebertransplantation nach grobem Behandlungsfehler

Landgericht Düsseldorf, 3 O 369/07, Urteil vom 15.01.2015:

 Die damals 30-jährige Patientin litt unter einer Muskelvenenthrombose und begab sich bei dem Beklagten, einem Facharzt, in ärztliche Behandlung. Dieser nahm über einen Zeitraum von über zwölf Monaten eine Marcumar-Therapie vor. Marcumar darf höchstens sechs Monate lang verabreicht werden. Die Klägerin musste sich infolgedessen einer Lebertransplantation unterziehen. Der gerichtliche Sachverständige stellte einen groben Behandlungsfehler fest. Er führte aus, dass die erhöhten Leberwerte der Klägerin ein Alarmsignal gewesen war und die Marcumar-Therapie unverzüglich hätte abgebrochen werden müssen. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Arzt nunmehr nach einem über siebenjährigen Rechtsstreit zu einem Schmerzensgeld von 40.000 Euro, sowie zum Ersatz sämtlicher Kosten der Vergangenheit und Zukunft, die auf dem ärztlichen Behandlungsfehler resultieren. Dieses Urteil ist für die Patientin erfreulich und zeigt, dass sich Ausdauer lohnt. Das Landgericht Düsseldorf hat sich sehr viel Zeit genommen. Die schon im Jahre 2007 anhängig gemachte Klage wurde am 15.01.2015 für die Klägerin endlich positiv entschieden.

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Verkehrsunfallrecht mit Personenschaden: Mehrfachverletzungen nach Motorradunfall (über 9-jährige Verfahrensdauer bei Gericht)

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 7 U 2/18, Vergleich vom 06.11.2018 (Vorinstanz: Landgericht Kiel, ständig neue Aktenzeichen aufgrund Kammerwechsel, zuletzt 13 O 179/17)

Der Kläger erlitt im Jahre 2005 mit seinem Motorrad einen Verkehrsunfall mit Fremdverschulden. Folge waren Mehrfachverletzungen mit komplexen Kniebinnentrauma rechts, Ruptur des vorderen und hinteren Kreuzbandes sowie eine geschlossene Unterschenkelstückfraktur und subtotale Fußamputation rechts in Höhe des unteren Sprunggelenkes.

Trotz unstreitigen Haftungsgrundes weigerte sich der Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers, die Zurich Versicherung angemessenen Schadenersatz zu zahlen, so dass die gerichtliche Durchsetzung notwendig wurde. Das Landgericht Kiel verzögerte das Verfahren, in dem ständig neue Richter mit der Angelegenheit befasst wurden. Insgesamt gab es fünf Einzelrichter, die sich mit dem Rechtsstreit über die Jahre hinweg beschäftigt haben. Erst im Dezember 2017 kam es sodann nach sieben Jahren (!) zu einem Urteil. Das sah jedoch nur ein Schmerzensgeld von 80.000 Euro vor. Auch erkannte das Gericht einige Schadenspositionen, wie etwa die Anschaffung eines Automatik-Autos, nicht an, so dass Berufung notwendig wurde.

Vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht verglichen sich die Parteien sodann auf Zahlung von insgesamt etwa 350.000 Euro Schadenersatz.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Verhandlungsverzögerungen aufgrund von ständigen Richterwechseln, die sich erst in die Angelegenheit einarbeiten müssen, oder wegen Arbeitsüberlastungen bei Gerichten, sind leider bei manchen Gerichten auf der Tagesordnung. Hiergegen kann nach § 198 GVG eine Verfahrensrüge und eine Entschädigung wegen Prozessverschleppung von der Staatskasse gefordert werden, um Gerichte anzuhalten, schneller zu arbeiten und sich besser zu organisieren.

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Aufklärungspflichtverletzung bei Nabelbruch-Operation - fehlender Aufklärungsbogen, keine Aufklärung über Behandlungsrisiken

Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, 4 U 40/16, Vergleich vom 31.07.2017 (Vorinstanz: Landgericht Itzehoe, 4 O 99/12)

Der Kläger stellte sich im März 2011 in der Sprechstunde eines norddeutschen Klinikums aufgrund einer eigastrischen und umbilikalen Hernie, Nabelbruchs, am Bauch vor. Der behandelnde Professor sprach mit ihm über die Möglichkeit einer operativen Sanierung. Eine Aufklärung über die Risiken dieser Operation erfolgte nicht. Ein schriftlicher Aufklärungsbogen wurde dem Kläger nicht vorgelegt. Nach der Operation stellte der Kläger Komplikationen fest. Es waren Verdauungsprobleme, Harninfekt und eine eingeschränkte Lungenfunktion. Er musste intensivmedizinisch behandelt werden. Es musste daraufhin eine Relaparothomie stattfinden. Der Kläger bemängelte, über diese Komplikationen nicht aufgeklärt worden zu sein. Über diesen Vortrag ging das Landgericht Itzehoe als erstinstanzliches Gericht hinweg und führte aus, dass die Frage der streitigen Aufklärung nicht zu entscheiden wäre, da der Kläger bereits durch seinen Hausarzt angeblich aufgeklärt worden wäre. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hob dieses grob fehlerhafte Urteil des Landgerichts auf und riet den Parteien zu einer vergleichsweisen Regelung. Danach verglichen sich die Parteien schlussendlich auf Zahlung von 9.000 Euro.

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Ärzte tragen die Beweislast darüber, ob ordnungsgemäß über eine Operation aufgeklärt worden ist. Können sie noch nicht einmal einen schriftlichen Aufklärungsbogen vorlegen, gilt der Indizienbeweis, dass nicht aufgeklärt worden ist. Auch konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass aufgeklärt worden wäre. Das Landgericht Itzehoe wollte es sich offensichtlich zu leicht machen, indem es behauptete, dem Kläger seien angeblich die Risiken und Behandlungsalternativen bereits bekannt gewesen, da er sich in hausärztlicher Behandlung befunden hatte und sein Hausarzt ihm auch zu der Nabelbruchoperation geraten hatte. Da war jedoch allenfalls von Behandlungsalternativen die Rede gewesen, nicht jedoch über Operationsrisiken. Auch wenn der Hausarzt bereits zu einer Operation anrät, entbindet dies das Krankenhaus nicht, über Behandlungsalternativen und -risiken aufpassend aufzuklären.

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Anwaltliches Wettbewerbsrecht: Verbot der Angabe von nicht existenten Kanzleistandorten (Scheinkanzleien)

Kammergericht Berlin, Urteil vom 24.08.2018 – 5 U 134/17

Ein Einzelanwalt aus Düsseldorf, der im Medizinrecht tätig ist, gab auf seinem Briefpapier und Internet an, ungefähr 30 Kanzleistandorte zu unterhalten. Er behauptete, er würde u.a. in Hamburg, Bielefeld und Stuttgart Kanzleistandorte betreiben. Tatsächlich handelte es sich nur um Büro-Office-Center (Postanschriften), bei denen eingehende Post an ihn nach Düsseldorf weitergeschickt wurde. Er führte damit die Öffentlichkeit in die Irre. Das Kammergericht Berlin stellt klar:

„Im gegenwärtigen allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „Kanzlei“ vornehmlich zur Beschreibung der räumlichen Einheit gebraucht, von der aus ein Rechtsanwalt seinen Beruf ausübt (vgl. z. B. § 27 Abs. 1 BRAO), der den Mittelpunkt seiner Tätigkeit bildet, wo man ihn also während der üblichen Bürokernzeiten grundsätzlich antreffen kann, wenn er nicht berufs- oder erholungsbedingt ortsabwesend ist.“

Das Kammergericht Berlin stellte ferner fest:

„Die Auswahl eines Rechtsanwalts ist für den angesprochenen Verkehr regelmäßig von besonderer Bedeutung, da der Erfolg der eigenen Rechtsangelegenheit häufig auch von den fachlichen Qualitäten des Rechtsanwalts abhängt. In einem speziellen Rechtsgebiet wie dem Medizinrecht gilt dies in erhöhtem Maß. Hinzu kommt, dass Patienten, die einen Arzt oder andere Personen nach einem Behandlungsfehler in Anspruch nehmen wollen, häufig aufgrund erlittener Erfahrungen, Schmerzen und körperlicher Beeinträchtigungen in weitaus stärkerem Maß persönlich betroffen sind, als dies in vielen zivilrechtlichen Angelegenheiten der Fall ist, und aus diesem Grunde einen besonders vertrauenswürdigen Rechtsanwalt suchen.“

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

:Seriös arbeitende Kanzleien haben es nicht nötig, eine Größe vorzugaukeln, die sie tatsächlich nicht haben. Kanzleien, die auf die Maximierungen von Mandatsaufkommen aus sind, indem sie eine örtliche Präsenz an z. B. 30 Orten versprechen, haben es meist eher nötig, überhaupt an Mandate zu kommen. Ein solches Verhalten spricht nicht gerade für Qualität und Mandantenfreundlichkeit, sondern für die Maximierung eigener finanzieller Absichten – auf dem Rücken von medizingeschädigten Patientinnen und Patienten.

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Anwaltliches Wettbewerbsrecht: Verbot der täuschende Behauptung einer nicht existenten Arbeitsgemeinschaft Patientenanwälte

Kammergericht Berlin, Urteil vom 24.08.2018 – 5 U 134/17

Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt, der im Bereich Medizinrecht tätig ist, kam auf die Idee, eine Website zu Werbezwecken zu schalten, auf der er angab, er unterhalte eine Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte. Eine solche existierte tatsächlich jedoch nicht. Pikant war, dass er sogar Namen von Patientenanwälten anderer Kanzleien im Prozess wahrheitswidrig angab, die angeblich seiner Arbeitsgemeinschaft angehörten. Bei diesen nachgefragt kam heraus, dass sie von einer solchen Arbeitsgemeinschaft nichts wissen und nie einer solchen beigetreten sind. Der Rechtsanwalt wurde schlussendlich verurteilt, die Behauptung, er führe eine Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte, zu unterlassen. Ferner wurde er auf Auskunft und Schadenersatz verurteilt über die Früchte, die er durch die wahrheitswidrigen Behauptung erlangt hat

Anmerkungen von Rechtsanwalt Tobias Kiwitt:

Das Einschreiten gegen Mitbewerber ist dann notwendig, wenn mit äußerst unbilligen und grob wettbewerbswidrigen Maßnahmen geworben wird und Patienten dadurch in die Irre geführt werden. Das Verhalten des betreffenden Rechtsanwalts erschüttert jegliches Vertrauen in den Berufsstand des Rechtsanwalts. So dreist, wie dieser Rechtsanwalt es auf die Spitze getrieben hat, so erfreulich und erwartbar haben die Gerichte ihm attestiert, dass er bei weitem die Grenzen des Zulässigen überschritten hat. 

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